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Lokaljournalismus (1)
Lokaljournalismus in Reinkultur
"Kaum eine Lokalzeitung gab sich so respektlos und feingeistig wie das „Schwäbische Tagblatt“. Mit großer Wirkung: In den Achtzigern lag der Nabel der Zeitungswelt auch in Tübingen. Angestachelt von der Leidenschaft des Chefs war in Tübingen lange Zeit kein Bienenzüchter und kein Bauspekulant sicher vor den wühlenden Schreiberlingen aus der Uhlandstraße. Und jeden Morgen wunderten sich die Leser zwischen Börstingen und Kirchentellinsfurt, was ihre Heimatzeitung da schon wieder ausgegraben hatte.", so schrieb Philipp Maushardt 2004 über den Abschied des Herausgebers und Chefredakteurs Christoph Müller von Tübingen.

Leserbriefe: der ganze Stolz des ehemaligen Herausgebers
Wurde Christoph Müller auf die Leserbriefdebatten in seinem Blatt angesprochen, dann berichtete er mit ganzem Stolz über die ungewöhnlich hohe Zahl an Zuschriften. Für ihn waren die Leserbriefe nicht nur Beiwerk, sondern ein zentraler Bestandteil des Blattes und Ausdruck der demokratischen Teilhabe der Leser:innen an seiner Zeitung. Heute sieht das Tagblatt anders aus: Nach meinem Ermessen haben die Leserbriefe für die Redaktion ihre Wichtigkeit verloren. Unverständlich, weil gerade sie ein leicht handlebares, wirkungsvolles und zudem kostenloses Instrumentarium sind, Demokratie zu leben und zudem die Bindung der Leser:innen an das Blatt zu stärken.

Ganz aktuell
Ein Leserbriefschreiber moniert: "Eine zentrale Information, die Mietpreise, vermisse ich in dem Artikel.  Meine Recherche ergab: Das Angebot zum Beispiel für ein  Ein-Zimmer-Apartment mit 20 Quadratmetern liegt bei 1750 Euro pro Monat  (88 Euro pro Quadratmeter), für ein Zwei-Zimmer-Apartment bei 2450  Euro pro Monat (49 Euro pro Quadratmeter). Unglaublich, aber real.  Günstiger Wohnraum? Mitnichten!"

Ein Leserbriefschreiber macht Recherche für die Lokalredaktion!

Das ist doch ein Zustand, den sich jedes Blatt nur wünschen kann. Er kritisiert aber auch: Warum hat die Redaktion nur das Narrativ der Eigner abgedruckt? "Im Artikel sind schöne Worte zu lesen wie „Entlastung  des überhitzten Wohnungsmarktes“, „wirklich sparsam gearbeitet“, „kommt  sehr gut an“, und „der Mietpreis orientiert sich am Tübinger  Mietspiegel“. Hört sich gut an, trifft aber nicht zu."

Der Leserbrief hat es ins Blatt geschafft. Glückwunsch, denn das passiert nicht immer.








 
Lokaljournalismus (2)
Die Übernahme von Narrativen, die von außen kommen und die weder überprüft noch kommentiert werden, ist für den Lokaljournalismus tödlich. Nicht nur im Fall der fehlenden Nachfrage nach den Mieten und der Mietpreisbindung geschieht das.

Pressemitteilungen der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Die Pressestelle der Diözese hat 20 Mitarbeitende, der Leiter der Stabsstelle Mediale Kommunikation mit dem Titel Mediendirektor heißt T. D. (wer es genau wissen will, rufe https://www.drs.de/presse-kommunikation.html auf). "Zuletzt bei der 'Südwest Presse' in Ulm als Online-Chef und Mitglied der Chefredaktion" beschäftigt und damit ehemaliger Kollege der jetzigen Redaktionsleitungen bei der Rottenburger Post und beim Tagblatt. Jetzt vermutlich eher zufällig in der Position des Mediendirektor der Diözese und damit direkter Nachbar der Rottenburger Redaktion. Ist da ein prüfender journalistischer Blick überhaupt denkbar? Doch - natürlich ist er denkbar, wenn man auch  manchmal zweifelt, insbesondere dann, wenn sich eine Pressemitteilung der Diözese wörtlich in der Rottenburger Post wiederfindet. Auch daran wäre prinzipiell nichts auszusetzen, wenn nicht mit ST suggeriert würde, es handle sich um einen redaktionellen Beitrag der RoPo.

Narrative sind zu hinterfragen...
Narrativ, ein Wort, das heute so gerne benutzt wird. "Der Begriff Narrativ wird von der Operativen Kommunikation der Bundeswehr in den Streitkräften verwendet. Er bezeichnet nach militärischer Definition eine erzählerische Darstellung von Ereignissen, die im Sinne des Stakeholders (Erzählers) erklärt und in einen für ihn vorteilhaften Bedeutungszusammenhang gestellt werden." Ein bewusst ausgesuchtes Zitat aus wikipedia, dem Lexikon des 21. Jahrhunderts. Insbesondere der "vorteilshafte Bedeutungszusammenhang" sei erwähnt. Wenn die Diözese eine Pressemitteilung macht, wird sie sich sicher nicht in ein schiefes Licht setzen. Also müsste notwendigerweise der Lokaljournalismus das "vorteilshaft" hinterfragen, bevor es einfach mit einem Kürzel versehen abgedruckt wird.

die Leser:innen setzen darauf!
Das ist der eigentliche Kernsatz: Der Lokaljournalismus hat eine gute Ausgangsposition, dauerhaft zu wirken, weil das Lokale immer wichtig ist, egal ob es sich um einen Bericht über die Imkerei oder eine Kindertagesstätte handelt. Die Position schwindet mit jeder Aufdeckung der Übernahme eines "vorteilhaften Bedeutungszusammenhangs". Pressemitteilungen müssen hinterfragt werden oder als solche kenntlich gemacht sein. Das erwarten die Leser:innen - zurecht!

Lokaljournalismus (3): Werden Leserbriefe zensiert?
In den Hashtags zur Serie über den Lokaljournalismus taucht der Begriff „Zensur“ auf. Im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung ist der Begriff hart, übt die/der Redaktionsleiter:in mit der Nicht-Veröffentlichung doch nur das „Hausrecht“ aus. Dennoch stellt sich die berechtigte Frage, warum sie/er mit der Knute der Nichtveröffentlichung überhaupt auf Leserbriefe einschlagen muss.
Die Ankündigung, was in Leserbriefen nicht stehen darf, ist eindeutig: keine falschen Behauptungen, keine Beleidigungen. Alles ok. Aber was ist, wenn ein Leserbriefschreiber besser informiert ist als die/der zuständige Redakteur:in? Kein hypothetischer Vorgang, sondern so geschehen.
Schlecht informiert - aussortiert
Bei der Auswahl der Aufarbeitungskommission der Diözese Rottenburg-Stuttgart war vorgesehen, dass die Landesregierung 3 Vertreter:innen benennt. Ministerpräsident Kretschmann, Duzfreund des damaligen Bischofs Fürst, hatte ihm 12 Personen zur Auswahl genannt. Dies hatte ich recherchiert, dies hatte die Redaktion nicht gewusst, auch nicht nachgefragt, also wurde der Leserbrief ausgesondert. Pech für die Leser:innenschaft, die damit um eine wichtige Information gebracht wurde.
Daraufhin hatten meine Leserbriefe immer ein Begleitschreiben: „Bevor Sie nachfragen, ob meine Äußerungen stimmen, hier die Infos zu meinen Ausführungen … Soweit die Hinterlegung meiner Aussagen.“ Und dies in einem Kontext, in dem sich mein Name unter dem Leserbrief befindet. Irgendwie befremdlich.
Immer wieder dieser Missbrauch!
Bringen wir es auf den Punkt, der Redaktion missfällt es, dass immer wieder das Thema Missbrauch und Umgang der Diözese mit Missbrauch in meinen Leserbriefen auftaucht. Dabei gibt es kein „lokaleres Thema“ für die Bischofsstadt urbs pia Rottenburg am Neckar und damit kein „lokaleres Thema“ für die Rottenburger Post.
„Ich habe lange nachgedacht und komme heute zu dem Schluss, dass wir diesen Leserbrief nicht veröffentlichen werden. Nur ganz am Anfang beziehen Sie sich auf einen lokalen Aufhänger. Dann nutzen Sie diesen sofort, um auf das von Ihnen immer wieder vorgetragene Thema zu kommen.“, schrieb mir der Tübinger Redaktionsleiter H.-J. S.
Auf Schmusekurs mit dem Bischof
Das stimmt. Würde die Kirchenredaktion in Rottenburg, in Tübingen und in der Südwestpresse in Ulm endlich so über den Missbrauch berichten, wie es andere Redaktion seit Jahren tun (ich denke da an den Kölner Stadt-Anzeiger), dann könnte ich meine Arbeit sofort einstellen. A. B. in der Rottenburger Redaktion, H.-J. S. in der Tübinger und E. Z. in der Ulmer Redaktion kommen von ihrem Schmusekurs mit Bischof und Diözesanleitung einfach nicht runter, die Leser:innen haben das Nachsehen – seit Jahren.
„Schlechtreden lassen müssen wir uns aber nicht, schon gar nicht in unseren eigenen Leserbriefspalten.“ – ach so, dann doch lieber das „Hausrecht“ ausüben und Leserbriefe aussondern. Glückliches Tagblatt!
Lokalredaktion (4): Hundepfeifen-Strategie

„Ammerbuch-Entringen. Mehr als 200 Menschen waren es wohl, die sich am Samstag gegen 11 Uhr um die Zehntscheuer versammelt hatten. Um 10 Uhr hatte das „Weißwurstfrühstück“, wie Hanna Hahn von der GAL es nannte, bereits begonnen. Dauern sollte es bis 13 Uhr. Der Hintergrund: Die AfD hatte einen Infostand auf dem Platz angemeldet. „Davon haben wir erst gestern erfahren“, beklagte sich die Gemeinderätin Hahn, „obwohl die Verwaltung es schon seit 10 Tagen wusste“. Mit ihrem Parteikollegen Finn Schwarz habe sie dann alle Kommunikationskanäle genutzt, um schnell eine Gegenveranstaltung zu starten.“, so Werner Bauknecht heute auf Seite 27 des Tübinger Tagblatts.
Es gibt Sätze, die sofort einen Kosmos eröffnen
Kurz vor 12.00 Uhr war ich auch vor Ort und unterhielt mich mit zwei Frauen, die sich zu den Ideen der AfD bekannten. Meine Nachfrage bei den beiden galt Björn Höcke, dem thüringischen AfD-Vorsitzenden, und der Verwendung der SA-Parole „Alles für Deutschland“. Er war wegen des mehrfachen Verwendens der Nazi-Parole zu Geldstrafen verurteilt worden. Höcke war Geschichtslehrer, deshalb ist davon auszugehen, dass er die Parole absichtlich verwendet hat. Dies bestritt eine der Frauen: ihr Mann sei auch Geschichtslehrer gewesen, und er habe diesen Satz nicht gekannt. Meinen Einwand, dann habe ihr Mann im eigenen Geschichtsunterricht nicht richtig aufgepasst, wollte sie nicht gelten lassen.
Die Philologin Heidrun Kämper sieht die Äußerungen Höckes so: „"Ich bin ganz sicher, dass er den Ursprung kennt, dass er auch weiß, dass das eine verbotene Formel ist. Er spielt ja jetzt nicht nur in diesem Fall mit dem nationalsozialistischen Sprachgut.“ Höcke spreche mit solchen Formulierungen seine Wählerschaft an, sagt Kämper und ergänzt: In der Linguistik habe man sogar einen Ausdruck dafür, der das beschreibe. "Wir nennen es Hundepfeifen-Strategie. Das ist eine Strategie: Die Eingeweihten wissen, was gemeint ist. An der sprachlichen Oberfläche und wenn man das hört, versteht man aber etwas anderes."
Zurück zum Thema Leserbriefe
Im Oktober 2025 habe ich einen Leserbrief an das Tübinger Tagblatt übermittelt. Es passierte (wie immer) lange nichts, auf meine Nachfrage schrieb die Redakteurin der Rottenburger Post, A. B. mir zurück: „Ihr Leserbrief ist leider sehr unkonkret und, mit Verlaub, etwas wirr.“
Die Eingeweihten wissen, was gemeint ist.
Ungeachtet dessen, ob die Unterdrückung der Lesermeinung dem Umstand geschuldet war, dass die Redakteurin den Inhalt nicht verstand (oder verstehen wollte), hat mich der mit Kommata eingefügte Ausdruck „mit Verlaub“ ziemlich erschreckt. Wieviel Menschen noch davon wissen, kann ich nicht sagen, ich gehe aber davon aus, dass A. B. sehr wohl wusste, welchen Zusammenhang ihre „Hundepfeife“ aufzeigte. Ein sichtlich genervter Joschka Fischer sagte wohl in Richtung des Bundestags-Vizepräsidenten Richard Stücklen im Jahr 1984: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“     
"Wir nennen es Hundepfeifen-Strategie"
A.-ha! Und vielen Dank, Frau B.!
Lokalredaktion (5): Zoll und Zollitsch

Es sieht nur nach einem Wortspiel aus, entfaltet aber beim näheren Hinsehen die ganze Problematik der Berichterstattung der Südwestpresse bezüglich des Missbrauchs und der Missbrauchsaufarbeitung in der Diözese. Dieses Mal will ich auch mit Klarnamen arbeiten. Elisabeth Zoll ist Redakteurin bei der Südwestpresse in Ulm und beschäftigt sich oft mit Themen, die aus dem Bereich der Katholischen Kirche kommen. Auch ist sie Herausgeberin des Buchs „Wir bleiben!“: „17 prominente katholische Frauen erzählen ehrlich und unerschrocken ihre Kritik an der katholischen Kirche und wieso sie trotzdem bleiben.“, so der Werbetext für das Buch.
Auch mit ihrer eigenen Kritik spart sie nicht, wenn sich Ereignisse außerhalb der Diözese Rottenburg-Stuttgart abspielen. So berichtet sie immer wieder über die Kölner Verhältnisse unter Kardinal Woelki, und auch der Missbrauchsbericht über die Erzdiözese Freiburg fand ihr Interesse. So schrieb sie: „Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz war Erzbischof Zollitsch mit Missbrauchsverbrechen konfrontiert. Doch in der Erzdiözese Freiburg ignorierte er sie – die Eiseskälte lässt bis heute frösteln.“ Und weiter: „Zollitsch‘ Ignoranz und Eiseskälte: Enthüllungen aus Freiburg machen sprachlos.“
Berichte über Aufarbeitung in der Diözese - uninteressant!
Harter Tobak, dagegen findet der Aufarbeitungsprozess der Diözese Rottenburg-Stuttgart in der Südwestpresse so gut wie nicht statt. Wer den zweiten Jahresbericht noch in Erinnerung hat, in dem Bischof Leiprecht Versuche der Pressemanipulation nachgewiesen wurden, dann erzeugt das Verhalten von Frau Zoll doch ein seltsames Gefühl. Schmusekurs mit der Diözese durch die Rottenburger Redaktion und durch das Tübinger Tagblatt mag durch die räumliche Nähe noch erklärbar sein, aber die Redaktion in Ulm? Vermutlich erzeugt der stark kirchlich orientierte Ministerpräsident Kretschmann eine Schreibscheu. Schließlich war auch Gerlinde Kretschmann, die Gattin des Ministerpräsidenten, mit im oben erwähnten Buch von Frau Zoll vertreten. Das will man sich nicht verscherzen, allerdings komplett zu Lasten der Informationspflicht und auch zu Lasten der Betroffenen, die sich wiederum in die letzte Reihe katapultiert sehen müssen.
Besonders spannend für mich war, als ich über meine Anzeige gegen Kardinal Kasper an Frau Zoll gemailt hatte. Ihre Antwort: „Der Brief einer Privatperson an den Nuntius ist für mich kein Thema.“ Kurz zuvor hatte in Köln eine Privatperson eine Anzeige gegen Kardinal Woelki in Rom gemacht, die Tagesschau hatte darüber berichtet, meine Anzeige hat es nicht mal in die Südwestpresse geschafft. Wäre es besser gewesen, als Landesvorsitzender des Familienbundes die Anzeige zu machen? Hätte sie dann Gehör gefunden? Vermutlich nicht, denn „Für uns ist das Thema damit erledigt.“, schreib sie mir in der Mail vorher.
Das zweierlei Maß
Ganz ehrlich, für mich ist das Thema noch lange nicht erledigt, auch nicht das Aufzeigen der indiskutablen Berichterstattung der Südwestpresse zum Thema Missbrauch und Aufarbeitung in der Diözese. Und das Messen mit zweierlei Maß - in Freiburg machen die Enthüllung sprachlos und werden mit einem langen Artikel ausgeführt, in Rottenburg-Stuttgart unterdrückt man die Ergebnisse der Aufarbeitungskommission – ist nicht nur ärgerlich, es ist unredlich!
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